
Marktbereinigung schafft neue Basis
Die Bewertungssituation ist derzeit einer der bemerkenswertesten Aspekte im Biotech-Sektor. Viele Small Caps handeln nahe oder sogar unter ihrem Nettocashbestand – ein Niveau, das zuletzt in der Post-Dotcom-Ära erreicht wurde. Auch Mid Caps notieren deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt.
Biotech insgesamt bewegt sich auf einem 20- bis 30-Jahres-Tief. Für Investoren bedeutet dies: Die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und Marktpreis ist so groß wie selten zuvor. Historisch betrachtet waren vergleichbare Konstellationen häufig Ausgangspunkte für langfristige Neubewertungen.
Beleg für die strukturelle Stärke des Sektors ist die jüngste M&A-Welle. Strategische Käufer wie Johnson & Johnson, Sanofi und Merck & Co. haben in den vergangenen Monaten Milliardenbeträge in Biotech-Innovationen investiert. Die Übernahme von Intra-Cellular Therapies durch Johnson & Johnson (14,6 Mrd. US-Dollar), das Gebot von Sanofi für Blueprint Medicines (bis zu 9,5 Mrd. US-Dollar) oder das Kaufangebot von Merck & Co. für Verona Pharma (10 Mrd. US-Dollar) unterstreichen: Big Pharma ist bereit, substanzielle Prämien für differenzierte Technologien zu zahlen. Das zweite Quartal hat eindrucksvoll gezeigt, wie stark wissenschaftliche Innovation weiterhin als Wachstumstreiber wirkt. Neben Markt und Bewertung prägt auch das regulatorische Umfeld die Branche. In den USA wird derzeit intensiv über das Most-Favoured-Nation-Preismodell diskutiert, das Medikamentenpreise an die niedrigsten internationalen Vergleichspreise koppeln würde. Da rund 80% der weltweiten Pharma-Gewinne in den USA erwirtschaftet werden, hätte ein solcher Schritt enorme Auswirkungen: Preisdruck im wichtigsten Markt der Welt, die Gefahr eingeschränkter Medikamenteneinführungen in Europa und ein Balanceakt zwischen globaler Margensicherung und fairem Zugang zu Innovation. Meine Einschätzung: Ich erwarte keine Entwicklung, die den Marktzugang grundsätzlich infrage stellt. Für den kommerziellen, nicht von Medicare oder Medicaid regulierten Markt garantiert die US-Verfassung de facto freie Preisgestaltung. Unternehmen könnten im Minimalfall neue Medikamente ausschließlich dort lancieren und ihre Margen sichern – trotz regulatorischer Unsicherheiten.
Der Börsenkommentar von Dr. Christian Koch, Leiter Investmentmanagement-Team BB Biotech, ist |transkript 3/2025 entnommen.